#poetryaroundtheworld@DwG

Beim Scannen meines Poesiealbums aus Grundschulzeiten kam mir dieser wunderbare Gedanke für das Projekt in den Sinn. Mir fiel auf, wie lehrreich viele Sprüche sind und wie viel Mühe sich der oder die eine gegeben hatte, einen Spruch zu finden, der zu mir passte und ihn dann auch noch aufwendig zu illustrieren. Wie schade, dass diese Tradition bei den jüngeren Generationen den Freundschaftsbüchern gewichen ist. Aber auch ein Spiegel unserer Zeit und der gesellschaftlichen Werte, die inzwischen vermittelt werden sollen. Vorgefertigte Formulare, die nur ausgefüllt werden müssen, und das einzig wichtige ist, die Darstellung des ICH. Mein Lieblingstier, mein Lieblingsbuch, mein Lieblingsfilm, etc. mein, mein, mein. Empathielos, selbstdarstellerisch, ohne jegliche Kreativität und Eigenleben. Hilft auch später im Beruf, und selbst Denken, sollte man ohnehin lassen, dann ist man viel besser manipulierbar, sieht man dieser Tage an jeder Ecke und in jedem Bereich.

Im Poesiealbum ging es darum etwas FÜR EINE(N) ANDERE(N) zu schreiben. Sich mit der Person wirklich auseinanderzusetzen, ihn oder sie zu charakterisieren, und obwohl wir sehr jung waren, die meisten Einträge bekam man über Mitschüler und andere Freundes- oder Gemeinschaftsgruppen, hat es gut funktioniert. Und auch wenn mal ein Spruch einfach nur lustig und nicht lehrreich war – was gibt es Schöneres als Freude und Lachen? Eltern, Großeltern, andere Verwandte und vor allem Lehrer waren meist wenig zeichnerisch kreativ, waren jedoch immer bemüht einen möglichst passenden Beitrag, für einen aus den dicken Wälzern der Philosophen, großen Dichtern und Denkern zu entnehmen, und durch die Auswahl ihres Textes, sagten sie auch immer etwas über sich selbst aus. Durch diese Art des Schreibens entwickelt sich Mitgefühl und Toleranz für andere, es fördert das Miteinander, den Respekt und die Wertschätzung. Das zeigte sich auch dadurch, dass ganz klar war, dass man mit einem Poesiealbum sorgfältigst umzugehen hatte, nichts verknickte, und sich Mühe gab, möglichst fehlerfrei zu schreiben.

Mein Einfall ist, diese Tradition wieder aufleben zu lassen. Und da die Welt und die Menschen viel näher zusammengerückt sind und ich auch ein Stück erwachsener geworden bin, überlegte ich, wie es wäre, wenn man das Poesiealbum an eine liebgewonnene Person gibt, diese einen Eintrag schreibt und dann das Album jedoch nicht an mich zurück, sondern an einen anderen Menschen gibt, der ihr wiederum wichtig ist. So könnte man viel mehr Menschen erreichen, als ich allein jemals durch eifriges Netzwerken kontaktieren könnte. Und wie schön muss es sein, wenn man dieses Buch erhält, durch die Beiträge der Vorgänger blättert und erkennt, wie viel wunderbare Schönheit darin liegt. Mit dieser Vorstellung gehen nun die ersten Bücher auf die Reise, und ich bin sicher, dass die gestreute Saat aufgeht und die Alben eines Tages prall gefüllt mit Poesie wieder bei mir eintreffen werden.